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Die weltweiten Entwicklungen lassen am laufenden Band die Frage auftreten, wie wir den aktuellen Herausforderungen begegnen können. Als wesentlicher Faktor wird die Neugestaltung der Organisationen genannt. Das bedeutet einen Shift von der hierarischen Pyramide hin zur flachen Selbstorganisation und weg von der Führung durch einzelne, hin zur Selbstführung jeder Angestellten.
Shared LeaderShift
Einen Ansatz den ich in diesem Zusammenhang sehr interessant finde, haben Barbara Wietasch und Eva Maria Danzer entwickelt. Dabei handelt es sich um das sogenannte Shared-LeaderShift Modell, das den Versuch unternimmt, Teile von Scrum, einer agilen Organisationsform und insbesondere die Führung zusammenzuführen und weiterzuentwickeln. Anders als bei Organisationen ohne Führungskräfte, spielt hier die FührungsKRAFT eine durchaus wichtige Rolle. Wie die beiden Entwicklerinnen festhalten liegt die Betonung auf Kraft. Die Führung wird hier vielmehr als Rolle, denn als Position verstanden und tritt daher auch als sogenanntes Triumvirat auf. Das heißt die Führungsaufgaben sind klar nach Rollen und Aufgaben getrennt. In weiterer Folge gibt es dann auch noch ein Triumvirat+, das sowohl eine Person als auch eine Gruppe sein kann, deren Aufgabe darin besteht auf die Einhaltung des Rahmens der Organisation zu achten. Mit Rahmen ist unter anderem das Unternehmensziel – auch Nordstern genannt – genauso gemeint, wie die vereinbarten Regeln, Normen und Werte. Für nähere Infos kann ich nur den Youtube Kanal bzw. die Homepage www.sharedleadershift.com empfehlen.
Firmenfunk Podcast: Leonid Lezner im Interview mit Eva-Maria Danzer und Barbara Wietasch
Kultur vs. agile Modelle
Die Frage die dennoch offen bleibt ist in wie weit, dieses und auch andere agile Modelle, tatsächlich gelebt werden kann, insbesondere wenn es in bestehende Organisationen eingeführt wird. Ein Faktor der öfters kritisiert wird ist, dass starre Strukturen ein hierarchisches, machtgetriebenes Verhalten begünstigen. Das mag so sein, dennoch sind diese Strukturen von Menschen erschaffen worden und haben sich in vielerlei Hinsicht bewehrt. Ich möchte an dieser Stelle keine Lanze für die streng hierarchische Pyramidenorganisation brechen. Vielmehr möchte ich aufgrund desssen darauf hinweisen, dass eine Gewöhnung sowohl auf Seiten der Führungskräfte als auch der Mitarbeiter*innen eingetreten ist. Selbst wenn der Mindshift für agiles arbeiten für manche keine große Sache darstellt, so sind wir dennoch mit der Tatsache konfrontiert, dass viele Menschen mitunter die letzten Jahrzehnte die Hierarchie und das Befehlsempfängertum zutiefst verinnerlicht haben. Dennoch wird es für viele Angestellte wie ein Befreiungsschlag sei, den auch Laloux (2015: S. 266) schreibt in seinem Buch „Reinventing Organizations“ beschreibt.
Die Führungskräfte, die Selbstführung in schon bestehenden Organisationen eingeführt haben, teilten alle die gleiche Einsicht mit mir: Die Reatktionen des mittleren Managements und der Unterstützungsfunktionen war ganz anders als die der ‚einfachen Mitarbeiter und Angestellten‘. Wenn Sie Selbstführung in Ihrer Organisation einführen, können Sie eine ähnliche Reaktion erwarten.
Menschen auf den niedrigeren Ebenen der Hierarchie erwärmen sich schneller für Selbstführung. Die meisten Mitarbeiter, die zuvor nur wenig Macht und Raum in der Eintscheidungsfindung hatten, werden die Freiheit genießen, ihre Arbeit so zu gestalten, wie sie es richtig finden.
Auf der anderen Seite stehen die Führungskräfte für die es ein mindestens genauso große Herausforderung bedeutet. Wie ist man Chef ohne Chef zu sein? Wie kann ich Verantwortung abgeben im Vertrauen, dass meine Mitarbeiter*innen ihre Arbeit auch ohne mein unmittelbares Zutun erledigen. Bin ich bereit tatsächlich meine Funktion als Rolle und nicht mehr als Position zu verstehen? Ist meine Funktion in Zukunft überflüssig? Wenn ja, wie geht es für mich weiter? Speziell die letzten Fragen sind durchaus berechtigt, denn es gab bereits einige Umstrukturierungen bei denen das mittlere Management der Selbstführung der Mitarbeiter*innen wich.
Partizipation als Voraussetzung
Aus meiner Sicht ist es notwendig einen Change der die Umstrukturierung von einer Pyramiden-Organisation hin zu einer agilen Organisationsform in Zusammenarbeit mit dem Personal zu gestalten. Es ist schön, wenn hochrangige Führungskräfte den Bedarf sich in diese Richtung zu entwickeln erkennen. Allerdings ist aus den oben genannten Gründen eine grundlegende Veränderung die von oben kommt, kaum durchzuführen. Im Endeffekt muss nicht nur das Management den Bedarf und die Vorteile erkennen, sondern auch jede*r Mitarbeiter*in für sich um langsam daran mitarbeiten und davon profitieren zu können. Laloux (2015: S. 273f) beschreibt hier noch einen weiteren Aspekt zur „Neugestaltung von unten“.
Diese Methode erfordert günstige Bedingungen: Arbeiter, die Ihnen so weit vertrauen, das sie bereit sind, die Idee der Selbstführung zu diskutieren. Zudem sollte das mittlere und leitende Management die Umgestaltung nicht sabotieren, auch wenn sie nicht vollkommen übereinstimmen. Aber es gibt Vieles, was Sie zur Vorbereitung eines solchen Prozesses tun können. Je mehr die Mitarbeiter schon im Vorhinein verstehen, was Selbstführung ist, und wie es ihr Arbeitsleben wieder aufregend und sinnvoll machen kann, desto leichter wird die Umgestaltung durchführbar sein.
Wenn das der Fall ist, stehen die Chancen gut, dass die Neuausrichtung von vielen Angestellten mitgetragen wird und dennoch Platz für diejenigen bleibt, die sich im Schutz von festen Strukturen wohler fühlen.
Schreibe mir doch in die Kommentare wie du die Chancen und Risiken von agilen Organisationen siehst. Bist du der Meinung das eine Veränderung dorthin überhaupt notwendig ist?
Buch:
Laloux, Frederic. 2015. Reinventing Organizations – Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Verlag Franz Vahlen GmbH, München.
Mehr Informationen zum Thema:
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