Digitalisierung ist einer der stärksten Einflüsse auf die gesellschaftliche Entwicklung in jüngerer Zeit. Ein ‘Opt-Out’ – eine Verweigerung oder ein Ausstieg – sind inzwischen nicht mehr möglich. Der Zugang zu Versicherungen, Banken oder Behörden und vielen anderen Bereichen öffentlicher Teilhabe werden nach und nach digitalisiert. Und wie das bei soziotechnischen Transformationen stets der Fall ist, entstehen dabei Chancen und Risiken. Insbesondere das Thema Nachhaltigkeit, das viele Ebenen besitzt, wird im Kontext der Digitalisierung häufig übersehen. Nachhaltigkeit bedeutet, dass zukünftige Generationen dieselben Chancen haben, ihre Bedürfnisse zu befriedigen wie die aktuellen Generationen. Ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Digitalisierung in diesem Zusammenhang ist die Vermittlung von Bildung an Kinder und Jugendliche.
Tablet-Klassen zeigen Unverständnis für das Thema
In diesem Bereich zeigt sich jedoch Verkennung der grundlegenden Veränderungen der digitalen Transformation. Symptomatisch dafür sind fotogene aber inhaltsleere Konzepte wie ‚Tablet-Klassen‘. Die größtenteils selben Inhalte einfach auf ein anderes Medium zu übertragen bereitet Schülerinnen und Schülern nicht ausreichend auf den weiteren Bildungsweg vor und zeigt Unverständnis. Verstanden wird nicht, dass der schwierige Akt inzwischen darin besteht, junge Menschen auf enorme technische und ethische Herausforderungen vorzubereiten. Es geht darum, die inhärente Logik der Technologie zu verstehen und einen verantwortungsvollen Umgang mit ihr zu lernen.
Nachhaltige Digitalisierung braucht Medienkompetenz
Das umfassende Stichwort in diesem Zusammenhang stammt aus analogen Zeiten und nennt sich Medienkompetenz. Diese besteht aus zwei Anteilen. Es müssen sowohl Medieninhalte auf kognitiver Ebene, als auch die Bedingungen ihrer Produktion und Verbreitung verstanden und bewertet werden. Dies verweist bspw. auf eine kritische Abschätzung der Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit von Inhalten. Dies ist auch grundlegend für das formelle und informelle Lernen mit digitalen Medien.
Die Nutzung digitaler Medien will gelernt sein
Auf Nutzungsebene müssen Kinder und Jugendliche lernen, digitale Medien sinnvoll auszuwählen und zu nutzen. Dazu gehört eine kreative Form und partizipative Nutzung digitaler Medien sowie eine Sensibilisierung für die Konsequenzen des eigenen Handelns (Datenschutz, Cybermobbing und die Vermeidung dessen…). Hinzu kommt ein gezieltes und ‘gesundes’ Maß, Medien auch für emotionale Zwecke wie Ablenkung und Entspannung einzusetzen ohne schädliche Nutzungsmuster zu entwickeln.
Digitale Mündigkeit
Medienkompetenz, die die genannten Elemente umfasst, macht Schüler*innen zu digital mündigen Menschen. Digitale Mündigkeit bedeutet, sich verantwortungsvoll mit den explosionshaft zugenommenen Informationen, Angeboten, Diensten und sonstigen Inhalten kritisch auseinandersetzen zu können. Eine Abwägung und Auswahl in diesem Bereich innerhalb eines zu großen Teilen kommerzialisierten Internets ist die Grundlage für informationelle Selbstbestimmung. Denn die “künftigen Generationen” müssen in einer Zeit, in der Informationen auch sehr persönlicher Natur blitzschnell und unbedacht geteilt, aber auch abgerufen werden können, in besonderem Maße achtsam sein. Nachhaltigkeit bedeutet hier auch, nicht durch laxes Teilen persönlicher Daten seine eigene Freiheit und Privatsphäre einzuschränken. Junge Menschen sollen lernen, die vielen Chancen zu Austausch und Kreativität nutzen können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Medienkompetenz bedeutet auch soziale Nachhaltigkeit
Für die Politik zeigt sich hier ein grundsätzliches Dilemma: Das politische System muss sich legitimieren und ist daher auf Wählerstimmen angewiesen. Damit konzentriert man sich häufig darauf, Sichtbares wie Whiteboards und Tablets anzuschaffen. Weniger sichtbare, aber viel notwendigere Schritte sind hingegen die Ausbildung von Lehrkräften für eine strategisch durchdachte, ganzheitliche Vermittlung von Medienkompetenz an Schüler*innen. Es muss verhindert werden, dass digitale Analphabet*innen an den neuen Optionen nicht partizipieren können und ihre Chancen auf Teilhabe an Bildung, Ausbildung und Erwerbsarbeit durch ihre soziale Herkunft bestimmt werden. Auch die Vermeidung einer ‘digital Divide’ auf sozialer Ebene, getrennt zwischen bildungsfernen und bildungsnahen Elternhäusern, ist ein Teil einer nachhaltigen Digitalisierung. Der verantwortungsvolle Umgang und eine kritische Auseinandersetzung digitaler Medien und Dienste sowie ein Bewusstsein über das Gefahrenpotenzial des Teilens persönlicher Daten – digitale Mündigkeit – bestimmt zu gutem Teil die Zukunftschancen junger Menschen.
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