28. März 2024
Working Out Loud

Working Out Loud an der HS Heilbronn

Working Out Loud ist ein sehr bekanntes Programm von John Stepper und fand vor allem im deutschsprachigen Raum viele Anhänger. Einige namhafte Unternehmen führten Working Out Loud – kurz auch WOL genannt – in ihren Betrieben ein, um ihre Mitarbeiter besser zu vernetzen und digitale Kompetenzen zu fördern. Diesen Gedanken griff auch Nicole Ondrusch, Professorin für angewandte Informatik und digitale Transformation an der Hochschule Heilbronn auf und nahm somit eine Vorreiterrolle für WOL im Bildungskontext ein. Im Podcast-Interview sprechen wir darüber, was die Idee dahinter ist, wie das klappt und wo die Hürden in der Umsetzung liegen. Falls du das Ganze lieber nachliest, findest du direkt unter dem Player die wichtigsten Inhalte.

Wie kam es dazu, dass ihr WOL im Studium eingesetzt habt?

Die Überlegung war, dass wir in ein Online-Semester kamen und sich die Erstsemester noch nicht kannten. Zudem erhielten wir im vorangegangenen Semester die Rückmeldung, dass es recht schwierig ist, sich online kennenzulernen und zu organisieren. Das primäre Ziel war daher zuerst einmal ein Vehikel zu finden, mit dem eine Gruppenbindung gut möglich ist. Im Austausch mit meiner Kollegin Nancy Wrabeck fanden wir dann noch ein paar mehr Ziele. Unter anderem war uns wichtig, die Kommunikation und das gegenseitige Helfen zu fördern. Bei mir gibt es auch noch den Gedanken, die Reflexionsfähigkeit der Studierenden zu erhöhen und ihnen zu zeigen, dass Lernen nichts Passives ist, was mit mir gemacht wird, sondern etwas Aktives, dass ich selbst gestalten kann. Mit all diesen Gedanken und Ideen haben wir uns gedacht, dass Working Out Loud sich sehr gut dafür eignet, weil es strukturiert ist und es die Circle-Guides dafür vorgefertigt gibt.

Wie habt ihr das organisiert?

Wir haben unsere ungefähr 60 Studierenden in ca. 15 Circle aufgeteilt und haben ihnen jeweils einen Tutor zur Seite gestellt. Die Aufgabe des Tutors war es, Fragen zu beantworten, zu den Guides, eigene Erfahrungen einzubringen und bei Bedarf zu moderieren, je nach Wunsch und Bedürfnis der Gruppe.
Die Studierenden selbst haben wir letztendlich ein wenig ins kalte Wasser geworfen. Wir haben ihnen nur kurz erzählt, worum es geht, dass sie sich in den kommenden zwölf Wochen eine Stunde pro Woche treffen sollen und sie angehalten, ihre Ziele zu definieren.
Der erste Durchlauf der WOL-Circles wurde von einer Studentin mit einer wissenschaftlichen Arbeit begleitet in Form von Fragebögen und Observationen. Dadurch haben sich viele spannende Erkenntnisse ergeben, die auch ein klares Bild aufzeigen, wo Verbesserungsbedarf insbesondere bei jungen Studierenden besteht.

Welche Erkenntnisse habt ihr konkret aus der Erhebung mitgenommen?

Im ersten Moment waren die Rückmeldungen ganz schön enttäuschend. Es gab so Rückmeldungen wie: „Das fühlt sich an wie für Rentner gemacht und mit den sozialen Medien kommen wir überhaupt nicht zurecht.“ Wir haben uns deshalb mit unterschiedlichen Kollegen aus unseren WOL-Circles zusammengetan, um herauszufinden, was denn schiefgelaufen ist. Die haben das jedoch recht schnell relativiert und meinten, dass es zwar mit den Guides und einigen Übungen Schwierigkeiten gab, jedoch die Gruppenbindung – unser erstes Ziel – das hat super funktioniert. Hier gab es zusätzlich noch die Erkenntnis, dass diese wöchentlichen Treffen ein strukturgebendes Element waren, was den Studierenden durch das Semester geholfen hat.
In der weiteren Analyse haben wir herausgefunden, dass viele noch das Problem hatten, einen Übertrag zu machen. Das bedeutet, dass zwar alle das Ziel und die Idee von WOL benennen konnten, aber der nächste Schritt, was das für eine selbst bedeutet, das konnten wir noch nicht vermitteln.

Konntet ihr dennoch ausmachen, woran dieser fehlende Übertrag lag?

Direkt nicht. Einen Fehler, den ich wohl gemacht habe, war, dass ich den Studierenden zu Beginn gesagt habe, wir wollen herausfinden, ob sich das für sie eignet. Ich denke, viele haben daraufhin das als Referenz für ihre Rückmeldung genommen.
Wo wir auch verblüfft waren, dass die Übungen im Social Media Bereich sehr schwergefallen sind. Das dürfte daran liegen, dass die Studierenden zum Einen stark zwischen beruflicher und privater virtueller Existenz unterscheiden und zum anderen Plattformen wie LinkedIn nicht nutzen. Deswegen dürfte hier auch kein Übertrag auf eine andere Plattform wie Instagram stattgefunden haben.
Was wir auch diskutiert haben, wo es aber aus den Erhebungen keine eindeutigen Erkenntnisse gab, ist die Frage, ob es eventuell zu früh im Studium war. Hier gehen die Meinungen doch sehr auseinander.
Eine Erkenntnis, die wir aus den Rückmeldungen der Tutoren gewinnen konnten war, dass die Gruppen am besten funktionierten, wenn der Tutor anwesend war, aber die Moderation der Gruppe überlassen wurde. Aus unseren eigenen Beobachtungen heraus konnten wir auch noch sehen, dass es sehr positive Auswirkungen hatte, wenn die Tutoren empathisch aus ihren eigenen Erfahrungen erzählten.
Einen wichtigen Hinweis, den wir ebenfalls erhalten haben, war, dass wir mehr Zeit für die Entwicklung des Lernziels einplanen müssen. Hier hätten wir sicher noch mehr unterstützten müssen, weil sicher auch die Ziele nicht immer so geeignet waren, um erstens 12 Wochen durchzuhalten und zweitens auch aus der Vernetzung zu profitieren und darüber jede Woche zu berichten.

Was ist die Quintessenz deiner Ansicht nach?

Grundlegend denke ich, dass wir aus diesem ersten Feldversuch sehr viel lernen und mitnehmen können, um das in den kommenden Semestern zu adaptieren. Das bedeutet konkret, dass wir die Circle-Guides sowohl sprachlich als auch von den Übungen her anpassen bzw. abspecken. Zudem, wie bereits angemerkt, werden wir wesentliche mehr Zeit für den Kick-off und die damit verbundenen Lernziele verwenden.

Anm. der Redaktion: In der originalen Version von Working Out Loud sind 31 Übungen in 12 Wochen vorgesehen. Aufgrund der hohen Dichte haben sich bereits Personen aus der Cogneon Community dessen angenommen und das Programm auf elf Übungen abgespeckt. Die Guides dazu sind auf lernos.org unter lernOS Leitfäden zu finden.

Nicole Ondrusch HS Heilbronn

Nicole Ondrusch

Professorin für Angewandte Informatik und Digitale Transformation

Mir liegt am Herzen herauszufinden, wie wir Lehre gestalten müssen, um ein heutiges Publikum zu erreichen und zu berühren. Ich bin bereit, hier verschiedene Experimente zu wagen, die auch mal scheitern dürfen – solange wir, also insbesondere die Student*innen auch daraus etwas lernen. Und so ist es auch, nicht alles, was wir in diesem Semester probiert haben, kam uneingeschränkt gut an. Aber die jungen Menschen haben sich sehr gut entwickelt und dürfen zu Recht stolz auf sich sein.

Maris

Learn+Grow+Connect beyond borders to create a better world

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